Fantasy

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Kurzgeschichte

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Thomas M. Meier

Kleines Rendezvous für einen Ritter

Eine seltene Skizze aus noch selteneren Tagen

I.

Der rote Busch seines Helms wippte aufgeregt über der schwarzen Rüstung. Die Schatten der Bäume streiften seinen Kopf und wandelten durch den besonnten Wald. Er griff nach den Zügeln, das Pferd wieherte und verschnaufte eine Weile. Schon vorhin, dachte er, sang er das schönste Lied von der hölzernen Kanzel. Und er sang so schön, dass der von Wolkenstein mit seinem einem blöden Auge nur noch wie ein Fisch blubberte: Glug, Glug, Blub. Er freute sich, denn der Himmel blaute wolkenlos. Zwischen den Ästen trillerten die Vögel im Triolenverband ihr beschwörendes Tandaradei. Er ritt über die Lichtung und bestaunte das wachsende Grün von Busch und Strauch, die seinen Pfad der Tugend säumten. Wenn er jetzt “Meister” sagen würde, sprängen alle Tore auf und ein unendlicher Jubel entkäme den Gehöften hinter den mächtigen Eichenstämmen. Endlich erreichte er das Ende des Waldes. Auf der Wiese dort unten wollte er ihr entgegen reiten. Die gebogenen Gräser sichelten silbern in der Luft. Es war so ein schöner Tag. Ein Kiesweg führte ihn sanften Hufes an den See, dort wo die zwei Bäume die Sonne wie einen großen Feuerball spannten. Er stieg ab und schritt auf sie zu. Dort saß sie im blendenden Weiß ihrer Schönheit und trank mit einer Hand aus der klaren Quelle der Vernunft. Der rote Busch seines Helms wippte aufgeregt. Sie stand am anderen Ufer des Sees und winkte ihm zu. Es war so ein schöner Tag, so schön ohne Wolken und mit den bunten Blumen, die bis in den Westen färbten. Als er sich neben sie setzte, flüsterte er in ihr Ohr: “Chum mit mir, der hôhe mout, ein stolzer man, daz ist min gout, der walt ist schone, du bist min, du wib, du blumenchrenzelîn.” Verlegen lächelte die Angebetete und schüttelte ihren Kopf, als ob sie nichts verstände. Die Sonne tauchte die beiden in ein glänzendes Gold, sodass sie sich wie zwei Edelsteine auf dem Fels der Treue verewigten. Langsam schmiegte sie sich an seine Schulter und lauschte den Worten, die er von seinem Pergament ablas. Sie blickte auf die ihr unbegreiflichen Symbole und verstand nichts außer dem Mund, der ihr dieses Geheimnis in ihre Sprache übersetzte. Es war so ein schöner Tag: Der Himmel blaute wolkenlos und sie schaute verwundert auf die roten und blauen Angelhaken, auf Ansammlungen von Schnörkelschnecken und auf Leinen gespannte Karos. Der Busch seines Helms wippte aufgeregt und segnete jedes Wort mit einem Nicken ab. Ihr beider Spiegelbild im See umkränzten die Sonnenstrahlen, die der glücklichen Vereinigung mit lichten Lanzen von oben Schutz und Geborgenheit gaben. Nichteinmal die leichten Wellen des Windes ließen das glasige Gerüst im See auseinanderfließen. Bei jedem Wort zitterten seine Lippen, während ihre Augen in der dunklen Bucht seines Helmes nach dem roten Mund suchten. Und jedesmal, wenn er sprach und sie zuhörte, und sich noch tiefer zu ihm beugte, zogen die solaren Linien eine noch schönere Kontur um beide Körper – und sie begriffen endlich. Der Abend nahte und trat in den schattigen Wein. – und der Turm in der Ferne schliff sich unter der beginnenden Besternung von links nach rechts zu einer kalkweißen Walze.

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