Der Fluch vom Pilatushof

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Historischer Roman

Der Fluch vom Pilatushof

Die Sachsenkriege und das Leben König Heinrichs IV. († 1106) – Teil 2

 

Regina Oversberg

404 Seiten. ISBN 9783943519488 (E-Book ISBN 9783943519495)

 

Kaum hatte Heinrich IV. in Canossa die Lossprechung vom Bann durch Papst Gregor erhalten, regten sich in den deutschen Ländern seine Gegner. Mit der Wahl eines Gegenkönigs beabsichtigten sie, schnell vollendete Tatsachen zu schaffen. König als auch Gegenkönig müssen bald erkennen, dass es keinen schnellen, keinen endgültigen Weg zum Triumph gibt. Im Gegenteil, dieser Weg ist gepflastert mit dem Leben zigtausender Männer, wozu letztendlich auch der Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden zählt. Sowohl der Halberstädter Bischof Burchard II., genannt Bucco, als auch Papst Gregor sinnen immer wieder aufs Neue darauf, wie sie den Salier Heinrich vom Thron stoßen können. Sie lassen nichts unversucht, kennen keine moralischen Grenzen, haben keine Skrupel, alles ist erlaubt! Es dauert elf lange Jahre, bedarf zahlreicher blutiger Schlachten, gipfelt selbst in heimtückischen Mordanschlägen, bis der Sieger in diesem Kräftemessen feststeht. Inzwischen bestimmen auch Mord und Todschlag, andauernde Fehden des Adels, raubende Ritter den Alltag der Menschen. Wer wird dem Land endlich den langersehnten Frieden geben?

 

Leseprobe

Forchheim – 15. März 1077

Der März zählte keinesfalls zu den Monaten, an denen man sich zu langen Reisen übers Land aufmachte, denn schlechtes Wetter und aufgeweichte Wege forderten dem Reisenden alles ab. Deshalb wartete auch Heinrich IV. nach den Strapazen von Canossa mit seinem Hof in Italien auf bessere Tage, während sich im Land eine Gruppe von Männern nach Forchheim auf den Weg begeben hatte. Sie hätten sich gewünscht, dass mehr ihrem Ruf gefolgt wären, doch sie blieben unter sich, eine kleine altgeprüfte verschworene Gemeinschaft aus Fürsten und Kirchenmännern des Deutschen Reiches. Einer von ihnen war Bischof Burchard II. von Halberstadt, welchen man Bucco nannte, ein glühender Gegner des Königs. Er fühlte in diesen Tagen eine maßlose Genugtuung, fühlte sich endlich am Ziel seines jahrelangen Kampfes angekommen. Sollte der König sich vom Papst in Canossa die Loslösung vom Bann geholt haben, in Deutschland, in Forchheim, würde die endgültige Entscheidung fallen.

Forchheim war ein Ort mit einer sehr besonderen und recht alten Tradition, da hier bereits im 9. und 10. Jahrhundert Königswahlen stattgefunden hatten. Und genau das sollte nun wieder geschehen, die Wahl eines neuen Königs! In weiser Voraussicht hatte man sogar eine neue Krone mitgebracht.

Ungeduldig fieberte Bucco diesem Moment entgegen. Sein ganzer Körper befand sich in Haft seiner aufgewühlten Gedankenwelt. Angespannt fiel sein Blick von einem zum anderen in dieser auserlesenen Runde, alles Männer, auf die er sich verlassen konnte. So saßen ihm zur Rechten die Erzbischöfe von Mainz, Salzburg und Magdeburg. Darauf folgten die zwei päpstlichen Legaten, die den Einfluss des Oberhaupts der Kirche sichern sollten. Zu den anwesenden Fürsten zählten neben des Königs Schwager Rudolf von Rheinfelden, Otto von Northeim, Berthold von Kärnten, Welf VII. von Bayern und Magnus von Sachsen. Damit waren die mächtigsten süddeutschen Herzöge versammelt, die alle erst durch des Königs Mutter, Kaiserin Agnes, in dieses Amt gehoben worden waren, die ihre Stellung mithin einzig dem Herrscherhaus verdankten. Der Versuch, weitere Verbündete für die geplante Königswahl zu gewinnen, war bedauerlicherweise gescheitert. Heinrich IV. hatte immer noch einen nicht unwesentlichen Teil des Reiches hinter sich.

Bucco verfolgte aufmerksam die Rede des Würzburger Bischofs Adalbero, der mit beschwörender Stimme auf die Anwesenden einredete: „Wenn wir heute mit der Wahl eines Gegenkönigs scheitern, werden wir so schnell keine zweite Chance bekommen. Heinrich ist auf den Weg nach Deutschland, er wird keine erneute Sitzung zulassen. Stellen wir aus diesem Grund alle persönlichen Sonderwünsche zur Seite, konzentrieren wir uns auf das Einigende. Ich schlage deshalb vor, dass wir zunächst die Absetzung Heinrich IV. besiegeln. Ich bitte dazu um eure Stellungnahmen.“ Bucco bewunderte, wie der Würzburger bis zum jetzigen Zeitpunkt jede noch so verfahrene Diskussion wieder auf den Punkt bringen konnte. Er war wahrlich ein echter Diplomat! Dem Halberstädter fehlte diese Gabe, er war ein Mann der Tat, weshalb ihn seine Gegner auch den eisernen Westfalen nannten. Für seine Freunde, für die Kinder seiner Diözese, war er Bucco der Kinderfreund. Nach einer kurzen Debatte wurde der König für abgesetzt erklärt und man konnte sich dem eigentlichen Thema zuwenden. Die Anspannung im Raum wuchs, Otto von Northeim hielt es kaum auf seinem Platz aus. Er rechnete sich die größten Chancen zur Wahl als König aus. Keiner hatte in all den Jahren den Feldzug gegen Heinrich IV. erfolgreicher angeführt, keinem verdankten sie mehr Siege. Doch unter den Männern war es ein offenes Geheimnis, dass sich alle vor einem zu mächtigen Northeimer fürchteten. Da konnten sie gleich den König aus dem Haus der Salier behalten. Als Folge dessen war im Raum eine bedrückende Stille eingetreten; keiner war gewillt, sich als erster zu äußern, alle fürchteten sich vor Ottos Rache. Da sprach Bucco aus, was gesagt werden musste. Er verstand nichts von der Kunst des Taktierens, er war ein heißblütiger Kämpfer im Gewand eines Bischofs. Mit hochrotem Kopf, der mit dem funkelnden Rubin an seiner Hand wetteiferte, erklärte er: „Wir sollten Rudolf von Rheinfelden zum König wählen. Er gehört seit langem zu den ärgsten und hartnäckigsten Gegnern des Saliers. Auch er war ein Opfer von Heinrichs Willkür, obwohl er der Schwager des Königs ist. Wählen wir den Schwabenherzog zum neuen König, zum Gegenkönig! Er wird ein gerechter Herrscher sein und uns erfolgreich führen!“ Alle waren froh, dass das Unaussprechliche endlich gesagt war. Nun konnte man darüber reden. Der Halberstädter war stolz auf sich und sah sich mit erhobenem Haupt in der Forchheimer Runde um. Dabei hatte er sich einzig an eine Übereinkunft gehalten, die er mit seinem Onkel, dem Erzbischof Werner von Magdeburg sowie den Zähringer und Habsburger Oppositionsfürsten getroffen hatte. „Schlag du Rudolf von Rheinfelden zum König vor“, hatten sie ihn bedrängt, „dir wird der Northeimer das am wenigsten übelnehmen!“ Bucco hatte zugestimmt. Nun blieb sein Blick beim Northeimer hängen. Der hatte jegliche Farbe aus seinem Gesicht verloren und starrte ihn fassungslos an. Doch Otto war zu gewieft, um das Spiel der Fürsten und Bischöfe nicht zu durchschauen. So schluckte er seine Enttäuschung mit Bravour herunter und ergriff als erster das Wort: „Ich weiß, dass mein langjähriger Freund und Kampfgefährte Burchard gewiss seine Gründe haben wird, Rudolf von Rheinfelden die Krone anzutragen. Auch ich muss zugeben, dass sich der Kandidat nicht geschont hat, das Haus der Salier endgültig vom Thron zu stoßen. Auch ich könnte dem Vorschlag guten Gewissens zustimmen. Dafür erwarte ich aber das Herzogtum Bayern wieder zurück!“ Irritierte, ratlose Blicke glitten durch das Halbdunkel des Raumes, wanderten von einem Verschwörer zum anderen. Jetzt war es die Sache der beiden päpstlichen Legaten dem Northeimer zu antworten: „Das käme der Simonie gleich! Damit würden wir dem Ämterkauf für ein gegebenes Wort zustimmen! Doch das soll es unter keinen Umständen mehr geben, genau dafür haben wir so lange gerungen.“ Rudolf verschlug es endgültig die Sprache. Hatten sich etwa alle gegen ihn verschworen? Sie werden mich noch brauchen, fuhr es ihm durch den Kopf, und dann diktiere ich ihnen meine Bedingungen. Dann spielen wir nach meinen Regeln. Daraufhin lehnte er sich äußerlich entspannt, mit einem gönnerhaften Lächeln im Gesicht, in seine Stuhllehne zurück. Bucco hatte ihn in der ganzen Zeit nicht aus den Augen gelassen und verfolgte die einsetzende Diskussion unter den Männern nur mit halbem Ohr. Erst als der Würzburger Bischof zum zweiten Mal mit einem schwergewichtigen „Also“ das Wort ergriff, um anscheinend ein Resultat anzukündigen, nahm Bucco wieder hellwach die Vorgänge im Königshof von Forchheim wahr. „Also, kom-men wir zur Abstimmung! Soll Rudolf von Rheinfelden unser neuer König sein? Ich bitte um eure Stimmenabgabe.“ Der Würzburger ließ seinen Blick fragend durch die Runde wandern und einer nach dem anderen erhob zustimmend seinen Arm. Ein beifälliges Raunen lief dabei durch den Saal. Jetzt war es an der Zeit, auch Rudolf Zugeständnisse abzuverlangen. Der Bischof von Würzburg ergriff wieder das Wort: „Rudolf von Rheinfelden, billigst du die kanonische Wahl der Bischöfe ohne jegliche weltliche Einmischung?“ „Ich werde sie billigen und mich nicht in die Wahl der Diener der Kirche einmischen.“, hieß die lautere Antwort.

„Rudolf von Rheinfelden, verzichtest du auf eine erbliche Thronfolge? Erkennst du das Recht auf freie Königswahl an?“ Der künftige Gegenkönig umfasste den Griff seines Schwertes mit fester Hand, bevor er zur Antwort gab: „Ja, ich werde auch das Recht auf freie Königswahlen anerkennen.“ Worauf sich die Männer von ihren Sitzen erhoben, zu ihren Schwertern griffen und sie gemeinsam in die Raummitte richteten. Laut und deutlich bekräftigten sie ihren Schwur mit dem Ausspruch: „So sei es! Rudolf von Rheinfelden soll unser neuer König sein!“ Der rhythmische Trommelschlag ihrer Schwerter auf die grobgezimmerte Tischfläche beendigte die Zeremonie, schloss sie mit einem wahren Gänsehautgefühl ab. Es war entschieden! Als der Würzburger Bischof Adalbert vorhatte, nach einem der Bediensteten zu rufen, wurde er jedoch von Bucco zurückgehalten. Der hatte sich mit der für ihn bekannten Entschlossenheit von seinem Stuhl erhoben, verschaffte sich mit einer kurzen Geste Gehör und erklärte lautstark: „Wir haben heute mit der Wahl des Rudolf von Rheinfelden zum König Geschichte geschrieben. Noch in 1000 Jahren werden sich die Menschen an dieses Ereignis erinnern. Lange haben wir dafür kämpfen müssen, viele Edle sind gefallen, viele treue Untertanen haben auf den Schlachtfeldern dafür ihr Leben gegeben. Nun ist es unsere erste Pflicht, die Machtstellung unseres Gegenkönigs zu sichern. Der Kampf ist noch nicht vorbei. Stehen wir alle mit unserem Leben dafür ein! Ringen wir dafür, dass nie wieder ein Salier über unser Land herrschen soll. Schmieden wir einen Bund, leisten wir heute einen Eid, dass wir für dieses Ziel unser Leben einsetzen werden!“ Sie hoben die Schwurhand und leisteten feierlich den Eid. Ein darauffolgendes Dankesgebet besiegelte den Schwur im Königshof von Forchheim endgültig. „Oh Jesus, ewiger Gott, ich danke Dir für Deine unzähligen Gnaden und Wohltaten. Möge jeder Schlag meines Herzens ein neues Dankeslied für Dich sein, oh Gott. Jeder Tropfen meines Blutes soll für Dich kreisen, Herr; meine Seele ist ein einziges Loblied Deiner Barmherzigkeit ...“ Endlich erlaubte man sich, das Gesinde zu rufen, da es manches zu feiern gab. Der Verwalter des Königshofes hatte das Ereignis gemeinsam mit seinem Weib im Hintergrund verfolgt. Sie waren im Dienst der Krone alt geworden und empfanden dadurch eine tiefe Verbundenheit mit dem salischen Königshaus. „Sie besiegeln ihre Verschwörung gegen unseren König noch mit einem Eid“, raunte der Burgwart seinem Weib hinter vorgehaltener Hand zu, „mit einem Verrätereid! Damit nageln sie den König symbolisch ans Kreuz, wie einst Pilatus unseren Herren Jesus Christus.“ Geschockt rang seine Frau nach Luft, um ihre Sprache wiederzufinden. „Verflucht sollen sie sein, diese edlen Herren, dreimal verflucht! Im Namen des Herrn, mein Fluch möge sie alle treffen. Möge ihr Eid sie beizeiten dahinraffen“, sprach sie mit verschwörerischer Stimme. Entsetzt betrachtete der Verwalter seine Frau. So aufgebracht hatte er sie noch nie erlebt, weshalb er ihr drohend zuraunte: „Schweig Weib, ein böser Eid reicht für heute. Ich fürchte bereits, dass die Leute unseren Königshof bald als Pilatushof bezeichnen werden und diesen Eid als Pilatusfluch!“ Kurzer-hand drehte er sich um und verließ mit ihr den Saal, während man drinnen den Edelmännern kostbaren fränkischen Wein servierte, einen Wein in der Farbe des Blutes.

Selbst die beiden päpstlichen Legaten wurden bei diesem Schwur von Unruhe ergriffen. „Was haben wir heute nur zugelassen?“, flüsterte der ältere der beiden seinem Glaubensbruder zu. „Sie handeln wie Königsmörder, so wie einst Pontius Pilatus“, erwiderte der daraufhin mit einem konspirativen Unterton in der Stimme. „Ich kann dir nur zustimmen! Für mich steht dieser Eid für Verrat und Tod.“ Von Vorahnungen und Furcht getrieben zogen sich bald darauf die beiden römischen Amtsträger in ihre Gemächer zurück. In dieser Nacht wurden sie immer wieder von einem heulenden weinenden Hund unsanft aus dem Schlaf gerissen. „Er verkündet den Tod von einem der Männer“, wisperten sie sich vorausahnend zu, schlugen drei Kreuze und zogen sich die Bettdecken enger um ihre Körper. Mit dem tröstlichen Gefühl von göttlichem Beistand vermochten sie bald darauf wieder einzuschlafen.

Im Nebenzimmer gelang es einem Mann erst gar nicht, in den Schlaf zu finden. Mit offenen Augen starrte er in das Dunkel des Raumes und vermochte es nicht, seine Nerven zu beruhigen. War er jetzt König, würde er allen Ernstes demnächst in Mainz gekrönt werden? Ruhelos erhob sich Rudolf von seiner Bettstatt, warf sich einen wärmenden Kittel über und begab sich nach draußen. Die Kühle der Nacht sollte ihm Entspannung verschaffen, sollte dieses widrige und unerträgliche Störfeuer in seinem Körper löschen. Er gestattete es sich als König nicht, zu zeigen wie gewaltig ihn diese Königswahl aufgekratzt hatte. Dabei entstammte er selber einem großen alten Adelsgeschlecht und war verwandt mit dem ausgestorbenen burgundischen Königshaus. Wenn nicht ihm, wem sonst stand die deutsche Krone zu? Rudolf beschloss, einige Schritte durch den Ort zu laufen. Aber die schlammigen Straßen, der kalte Nieselregen und das undurchdringliche Dunkel der Nacht zwangen ihn bald zur Umkehr. Laut klagend heulte in seiner Nähe immer wieder ein Hund. „Jemand wird bald sterben“, flüsterte er sich selber zu und verzog sich darauf erneut in seine Kammer. Erst weit nach Mitternacht kehrte in seinen Körper wieder ein Minimum an Gelassenheit ein. Dann erst konnte er etwas Schlaf finden.

 

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