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Du hast genau ein Leben

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Du hast genau ein Leben

Überzeugter Soldat der Wehrmacht, desillusionierter Schulleiter in der DDR, verzweifelter Freitod

 

Regina Oversberg

Zweite, durchgesehene, korrigierte und ergänzte Ausgabe. 160 Seiten. ISBN 9783943519433 (E-Book ISBN 9783943519440)

 

… Aber wer oder was machte ihm so schreckliche Angst? Die Staatssicherheit? Hatte ihn jemand in der Hand? Oder war es die Vergangenheit, die ihn nicht losließ? Oder alles zusammen? Diese Fragen blieben 40 Jahre unbeantwortet, aber bei jedem Familientreffen erwachen sie wieder zu neuem Leben. Sie vergiften und quälen und geben keine Ruhe. Es ist, als müsste der Tag der Beisetzung wieder und wieder erlitten werden. Dabei gilt es auch jedes Mal den allerersten Gedanken auszuhalten, den wir alle mit der Todesnachricht hatten: „Gott sei Dank, endlich Ruhe, endlich ist es vorbei!“ Erst dann kommt die Trauer, zeitversetzt, aber umso heftiger, denn wir Kinder haben trotz allem unseren Vater geliebt! Das Vorbeisein gilt der Ehe, dem elterlichen Miteinander, das geprägt war von Gewalt, Streit und Schlägen. Jeder von uns war froh zu wissen, dass es das nun nicht mehr geben würde. In den Auseinandersetzungen hielten wir stets zum schwächeren Teil, unserer Mutter. Aber das Problem dabei war, dass wir Kinder auch sie nicht verstehen konnten. Es war uns unerklärlich, wie sie auf die gleiche Situation stets auf die gleiche undiplomatische Art und Weise reagierte. Wir verstanden unsere Eltern nicht und daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Deshalb ist es an der Zeit, Antworten zu suchen …

 

Leseprobe

2. Das Telegramm: „Komm nach Haus, Vati tot.“

Ich halte das Telegramm in den Händen, lese und mit einem Mal ist die Welt eine andere. Bis zum Abend sehe, fühle und höre ich alles wie durch Watte. Erst dann kann ich weinen und fragen: „Wieso tot, tot mit 50 Jahren? Wir haben doch erst im Januar seinen Geburtstag gefeiert!“ „Dein Vater ist auch nicht eines natürlichen Todes gestorben!“ verkündet daraufhin mein Mann. Ich bin entsetzt, empört und neue Tränen fließen. Ich weine um meinen Vater, um sein, mein, unser betrogenes Leben. Niemand würde es uns zurückgeben, niemand konnte das.

Es ist der 18. April 1972 und am nächsten Tag komme ich nachmittags mit meiner kleinen Familie in der elterlichen Wohnung an. Wir sind die Letzten, die eintreffen, denn mein 20-jähriger Bruder ist bereits aus Potsdam wieder zurück. Er war dort gerade angereist, als auch er ein gleichlautendes Telegramm erhält. Die geplante Geburtstagsfeier mit seinen Kommilitonen fällt ersatzlos aus. Auch meine Tante Dorothea aus dem Nachbarort ist bereits da, um meiner Mutter beizustehen, so wie sie es bisher auch getan hat. Zu der kleinen Gemeinschaft gehören noch meine 12-jährige Schwester und mein 4-jähriger Bruder. Sehr schnell wird klar, dass mein Vater nicht einfach so gestorben ist, nein, er hat sich das Leben genommen. Als Schulleiter in einem 1000-Seelenort tätig, ist es auch für das Dorf ein Schock, denn jeder kannte ihn nur lebensfroh, zugänglich und stets freundlich. Für uns als Familie eine Katastrophe und ein furchtbarer Verlust!

Über die letzten zwei Tage meines Vaters erzählt meine Mutter eine sehr merkwürdige Geschichte. Wir sind sprach- und fassungslos, können uns keinen Reim auf das Geschehen machen. Es gibt auch einen Abschiedsbrief, der uns aber nicht vorliegt. Ihn und auch meinen Vater hat die Staatssicherheit bereits mitgenommen, beides zur Überprüfung. Und so kommt es, dass die Beerdigung erst zwei Tage später stattfinden kann und wir in dieser Zeit viel über die Ursachen des Selbstmordes spekulieren, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Dann kommt der Tag der Beerdigung. Sie findet im Geburtsort meines Vaters statt, dort, wo er die Welt in seinen schwersten Tagen mit den Begriffen Heimat, Glück, Liebe, mein Himmel, meine Sterne verband. Dort, wo er aufgewachsen war und die Menschen ihn lieben und schätzen gelernt hatten. Daher sind neben der Familie und seinem Kollegium auch viele alte Freunde und Bekannte aus dem Ort bei der Beisetzung anwesend. Die Schlange der Kondolierenden ist lang, aber ohne einen Vertreter der Partei oder des Staates.

Auch die anderen Schulleiter aus dem Kreis sind nicht anwesend. Da erscheint das Kommen der Kollegen und des Bürgermeisters aus unserem Ort schon beinahe als mutige Tat, denn die Mitarbeit der Staatssicherheit bei der Ursachensuche für die Tragödie hat für schlimme Verunsicherung unter den Menschen gesorgt. Diese Tatsachen scheinen die Geschichte meiner Mutter zu bestätigen. Und die läuft darauf hinaus, dass mein Vater am letzten Tag seines Lebens vor etwas fürchterliche Angst hatte, auf etwas wartete, seine Papiere ordnete, den Abschiedsbrief schrieb und sich am Abend dieses Tages dann das Leben nahm. Aber wer oder was machte ihm so schreckliche Angst? Die Staatssicherheit? Hatte ihn jemand in der Hand? Oder war es die Vergangenheit, die ihn nicht losließ? Oder alles zusammen?

Diese Fragen blieben 40 Jahre unbeantwortet, aber bei jedem Familientreffen erwachen sie wieder zu neuem Leben. Sie vergiften und quälen und geben keine Ruhe. Es ist, als müsste der Tag der Beisetzung wieder und wieder erlitten werden. Dabei gilt es auch jedes Mal den allerersten Gedanken auszuhalten, den wir alle mit der Todesnachricht hatten: „Gott sei Dank, endlich Ruhe, endlich ist es vorbei!“ Erst dann kommt die Trauer, zeitversetzt, aber umso heftiger, denn wir Kinder haben trotz allem unseren Vater geliebt! Das Vorbeisein gilt der Ehe, dem elterlichen Miteinander, das geprägt war von Gewalt, Streit und Schlägen. Jeder von uns war froh zu wissen, dass es das nun nicht mehr geben würde. In den Auseinandersetzungen hielten wir stets zum schwächeren Teil, unserer Mutter. Aber das Problem dabei war, dass wir Kinder auch sie nicht verstehen konnten. Es war uns unerklärlich, wie sie auf die gleiche Situation stets auf die gleiche undiplomatische Art und Weise reagierte.

Wir verstanden unsere Eltern nicht und daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Deshalb ist es an der Zeit, Antworten zu suchen, um uns allen endlich unseren Seelenfrieden zu geben, damit wir begreifen, was und warum dies alles mit uns geschah und wie intensiv diese Ereignisse unser Leben geprägt haben. Ich berichte hier über unsere Familiengeschichte und möchte mich deshalb als Beteiligte unbenannt eingliedern in die Reihe all derer, für die diese Geschichte ihr Leben war.

 

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